Ist doch Werbung für dich – kommentierte Podiumsdiskussion

von | 19.03.2018 | 1 Kommentar

Mit der Leitfrage, was ein angemessenes Honorar für Autoren ist, hat Tobias Kiwitt eine Podiumsdiskussion moderiert, die am Messesamstag auf der Leipziger Buchmesse stattgefunden hat. Teilgenommen haben Janet Clark des Vereins Mörderische Schwestern e. V., Jens J. Kramer vom Syndikat und Patrick Baumgärtel, ein Literatur- und Veranstaltungsagent.

Ich habe für euch auf der Leipziger Buchmesse mitgeschrieben, da ich das Thema „Ist doch Werbung für dich“ als ein sehr wichtiges empfinde. Zum Thema kostenlose Arbeit habe ich schon einmal einen Blogartikel mit ordentlich Sarkasmus geschrieben und auch der Nein-Sagen Artikel von mir hat großen Anklang bei euch gefunden. In diesem Artikel möchte ich den ernsten Ton der Diskussionsteilnehmer widerspiegeln und mit meinen eigenen Gedanken anreichern.

 

300,00 € für eine Lesung

Wie viel ein Autor als Lesungshonorar verlangen kann, hängt von einigen Faktoren ab. Jens J. Kramer betont die verschiedenen Faktoren wie beispielsweise den Ort, der die Stärke des Publikums ausmachen kann. Ob es sich um einen unbekannten oder bekannten Autor handelt, spielt natürlich auch in die Honorarfrage mit ein. Der Verband deutscher Schriftsteller, der VS in ver.di, hat als Richtlinie ein Honorar von 300,00 € herausgegeben. An dieses Budget solle man sich halten.

Kia kommentiert:
Ich sehe es kritisch, dass es vom Ort abhängt, wie viel man als Lesungshonorar verlangen kann. 300,00 € sind ein guter Mittelwert, den es auch für mich persönlich anzustreben gilt. Diese Empfehlung des VS in ver.di halte ich für angemessen. Doch Gefälle zwischen Stadt und Land beispielsweise können wir nicht beeinflussen, auch wenn ich es schade finde, dass man auf dem Land weniger für eine Lesung nehmen kann. Natürlich liegt das am Publikum – je umständlicher es ist, zur Lesung zu erscheinen, desto weniger Personen werden sich zu den Gästen zählen. Schön hätte ich es gefunden, wenn die Umfrage, auf die Janet Clark im Folgenden eingeht, unterschiedliche Zahlen hervorgebracht hätte. Ich selbst habe an dieser Umfrage im Vorfeld teilgenommen und hätte mir gewünscht, Postleitzahl, Alter, Anzahl veröffentlichter Bücher und weitere Daten angeben zu können.

Janet Clark berichtet über die Zahlen, die durch eine Umfrage des Bundesverbandes junger Autorinnen und Autoren herausgekommen ist. Im Durchschnitt erhalten die Autoren, die abgestimmt haben, etwa 200,00 € pro Lesung. Die Pay Gap zwischen Männern und Frauen sei sehr gering. Im Durchschnitt liegen die Honorare bei 196,00 € bzw. 206,00 € für Frauen und Männer. Der Durchschnitt und die Pay Gap zwischen den Geschlechtern hält die Schriftstellerin nicht für tragisch.
Auffällig ist aber eine andere Pay Gap: Nämlich die zwischen Erwachsenenliteratur und Jugendliteratur. Für Lesungen im Jugendbuchbereich sei mehr Budget vorhanden – in der Regel werden die Lesungen hier sogar gut bezahlt. Mittel werden von Schulen, Bibliotheken, Elternbeiräten und Vereinen bereitgestellt. Durch solche Förderungen ist Geld vorhanden, was bei der Erwachsenenliteratur nicht der Fall ist.

Kia kommentiert:
Wie sieht es mit eurer Leistungsbereitschaft aus? Wenn eine Lesung für Erwachsene stattfindet, empfinde ich das hauptsächlich als Werbeveranstaltung. Ich muss gestehen, ich persönlich habe ein paar Probleme beim Zuhören bei Lesungen. Auch gesprochene Texte von Hörbuch-CDs gehen nicht in meinen Kopf. Ich habe Horst Evers‘ „Für Eile fehlt mir die Zeit“ als Hörbuch gehört und kaum etwas behalten. Auch bei einem Hörbuch von Dieter Nuhr, welcher meine Hörbucherfahrung vervollständigt, kann ich mich an Lacher erinnern, nicht aber daran, weshalb ich gelacht habe. Kostet ein Buch beispielsweise 9,99 €, würde ich eine Einstündige Lesung nicht für einen Eintritt von 5,00 € betreten – da fehlt mir persönlich bisher das Veranstaltungserlebnis ähnlich einem Konzert. Kostet ein Musikalbum 9,99 €, so würde ich ein Konzert für einen Eintritt von bis zu 30,00 € betreten. Warum ist genau das anders? Was macht Lesungen für mich als gerne lesende Autorin so unattraktiv? Ich werde dieser Frage auf den Grund gehen, doch habe ich noch keine Antwort darauf.

 

Was ist meine Arbeit wert?

Frau Clark wirft als Fragen zu den konkreten Zahlen ein, was sich jeder Autor selbst fragen sollte: „Was ist meine Arbeit wert?“. Sie betont, dass zu Lesungen nicht nur die reine Lesungszeit gehört, sondern neben Anfahrt und Vorbereitung auch Übung und vorbereitende Investitionen wie beispielsweise Schauspielunterricht. Mal ganz abgesehen davon, dass der Text aus eigener Feder erst einmal entstehen musste.

Kia kommentiert:
Auch meine Arbeit als Coach – natürlich! Die Investitionen, die ich bisher durch Musikmentorenausbildung, Stimm- und Gesangsunterricht oder Rhetorikseminare hatte, stehen in keiner Relation zu dem, was mein gebündeltes Fachwissen im Coaching kostet. Genau so ist es auch bei deiner Lesung, wenn du eine abhalten möchtest: Neben dem, was du für die Lesung selbst investierst, warst du Monate, wenn nicht Jahre, mit dem Buch, um das es geht schwanger, hast in Lektorat, Korrektorat, Satz und Cover investiert oder ausdauernd nach einem Verlag gesucht. Ich finde es wichtig, dass wir Autoren uns – insbesondere nach der vergangenen Leipziger Buchmesse 2018 – viel wertvoller nehmen.
Eine Alternative zum Schauspielunterricht bietet das Lesungscoaching. Ich nutze mal die Gelegenheit, ein wenig Eigenwerbung zu machen: Gerne biete ich dir ein Lesungscoaching an. Als ehemalige Musikstudentin habe ich Erfahrungen mit Stimmbildung, Atemtraining und Gesang. Das habe ich mit meinem Wissen aus Rhetorik kombiniert und ein Lesungscoaching daraus gebastelt, von dem schon der ein oder andere Autor profitieren konnte. Deine Arbeit ist definitiv viel wert und deine Lesung sollte dir ebenfalls viel wert sein.
Wenn Autoren, besonders junge und unbekanntere Autoren, für wenig oder gar kein Honorar lesen, tun sie damit der Branche etwas Schlechtes. Ist die Lesung gut, wird der Autor weiterempfohlen. Hat man für lau gelesen, wird man auch mit dieser Information weiterempfohlen und man erwartet, dass der Autor jedes Mal kostenlos liest. Gleiches gilt für bezahlte und angemessen honorierte Lesungen: Bekommt man für 300,00 € etwas Gutes und ist zufrieden, empfiehlt man es weiter und erzählt auch von den 300,00 €, die der Autor mit seiner Lesung wert war.
Übrigens, ein No-Fun-Fact, der zeigt, warum wir Autoren unserer Arbeit selbst mehr Wert beimessen müssen: An der Lesung „9lesen“ habe ich 4,80 € verdient. Ein Getränk kostete 4,50 €, ich hatte zwei davon. Allerdings steht #9lesen für einen Mix aus veröffentlichten und unveröffentlichten Autoren, wobei auch die Unveröffentlichten auf sich aufmerksam machen können. Ich las also für die gute Sache 😉

Ein Argument von Veranstaltern, die nicht bereit sind, Geld zu zahlen, ist häufig der Werbeeffekt. Auf Lesungen wird doch über das Buch gesprochen, der Autor bekommt neue Leser, die zu Fans werden können, und Buchverkäufe spielen ebenfalls Geld ein. Janet Clark gibt zu bedenken, dass ein Autor an einem Buch nur 50 Cent verdient und selbst ein Abverkauf von zehn Büchern an einem Lesungsabend in keinem Verhältnis zum angemessenen Wert der Arbeit stehen. 5,00 € für eine Lesung ist im Vergleich zu den 300,00€ nun doch ziemlich gering.

Patrick Baumgärtel ist nicht nur Literaturagent, er vertritt Autoren ebenfalls bei der Lesungssuche. Er akquiriert Lesungsorte für Autoren und hat dadurch einen geschärften Blick auch für die andere Perspektive.

Der Buchbranche geht es nicht gut; vor allem nicht den Buchhändlern, sagt Baumgärtel. Die Wahl des Veranstaltungsortes sei immer wichtig: liest man in einer Buchhandlung im die Ecke, die sich so gerade über Wasser halten kann, so können die 300,00 € unter Umständen völlig überzogen sein. Kommen 30 Personen und zahlen je 5,00 € Eintritt, so müsste der Veranstalter 150,00 € aus eigener Tasche drauflegen, um sich die Lesung zu finanzieren. Liest man allerdings bei einem Riesenkonzern, fällt es dem Veranstalter oft nicht schwer, die Kosten wieder einzuspielen.

Janet Clark gibt hier zu bedenken, dass Autorinnen und Autoren im Generellen nicht gerecht behandelt werden. Findet bei einer Lesung musikalische Unterstützung statt, so bekommen die Musiker problemlos ihr Geld. Auch Catering wird bezahlt, dabei sagt niemand „Ich erzähle meinen Freunden, dass es gut war und kriege dann kostenlos das Essen, ist doch Werbung für dich“. Autoren stehen am Ende der Nahrungskette und werden oft schlecht oder gar nicht bezahlt. Man schaut, ob etwas übrig bleibt, was man sich dann mit dem Autor teilen kann.

Jens J. Kramer vom Syndikat betont, wie wichtig der Ort einer Lesung ist. In Hamburg werden Lesungen mit einem Eintritt unter 10,00 € eher belächelt. In Berlin empfindet man diesen Lesungseintritt nicht als Billig-Lesung. In Berlin stapeln sich die Autoren nahezu, da es einen Überdruss gibt. Wer für lau liest, sorgt dafür, dass die Gagen in den Keller fallen. Die Verwahrlosung des Lesungsmarktes liegt auch in der Hand der Autoren.

 

Kia kommentiert:
An dieser Stelle kommt die Diskussion meiner Meinung nach ins Rollen, aber durch das Zeitlimit soll das Gespräch noch kurz eine andere Wendung nehmen. Ich finde es wichtig, dass wir nicht gegeneinander arbeiten. Weder Veranstalter und Autoren sollen gegeneinander arbeiten und das Veranstalten von Lesungen ganz lassen. Das wäre für niemanden positiv. Vielmehr brauchen wir mehr Präsenz für Lesungen! Wann hast du, lieber Leser, liebe Leserin, zuletzt ein Plakat in deiner Heimat gesehen, auf der für eine Lesung in deiner Nähe geworben wurde? Wann warst du zuletzt auf der Lesung eines eher unbekannten Autors, oder gar auf einer solchen, bei der du das Buch gar nicht kanntest? Als Organisatorin vom Autorenstammtisch Hannover möchte und werde ich mit einigen Autoren regionale Lesungen veranstalten. Von Anfang an mit (anteiligem) Honorar für die Lesenden. In Anlehnung an #9lesen sollen dabei vier oder fünf Autoren jeweils eine Viertelstunde lesen. Zugegeben, diese Autoren werden sich dann die 200,00 – 300,00 € teilen, aber von Anfang an gerecht entlohnt werden. Irgendwie muss und wird das möglich sein. Wenn du auch Autor bist, mach es mir nach. Suche Veranstalter, die dich angemessen bezahlen und sorge dafür, dass endlich mehr Literatur bei dir vor Ort los ist. Das ist unsere Aufgabe. Wir Autoren müssen lauter werden!

 

Die Arbeit kreativer Berufe wird nicht mehr honoriert

Janet Clark gibt zum Thema zu bedenken, dass die Kostenlos-Mentalität einiges zerstört. Rezensionsanfragen seien Alltag für zahlreiche Autorinnen und Autoren, auch für Verlage ist dies zur Normalität und inzwischen schon zum Problem geworden. Ohne die Arbeit von Bloggern herabwürdigen zu wollen, betont sie, dass die Leistung des Autors stets im Hintergrund steht. Verlage erhalten hunderte von Anfragen. Ständig wünscht man kostenlose Exemplare. Durch das Verhalten der Buchblogger geht da etwas verloren. Sie kommt zu dem Punkt, dass die Arbeit kreativer Berufe nicht mehr honoriert wird.

Kia kommentiert:
Auch Verlage und Blogger sollten nicht gegeneinander arbeiten. Die Blogger sollten mehr ihrer Leidenschaft nachgehen und weniger nach kostenlosen Exemplaren geiern. Ich sehe es kritisch, wenn man nur Bücher aus der Randomhouse Gruppe rezensiert, weil man sie über das Bloggerportal gratis bekommt. Lasst euch wieder mehr in Buchhandlungen inspirieren, von Online-Werbung infizieren und bewertet (und bewerbt) Bücher, die eurer Meinung nach gesehen werden sollen. Wirklich kaputt machen die Branche aber riesige Unternehmen wie die Lufthansa. Einrichtungen wie das Bloggerportal empfinde ich im Prinzip als tolle Erfindung – schön wäre es aber, wenn das Bloggerportal ein zentrales Portal wäre, in welchem auch Selfpublisher-Titel, Bücher aus den Fischer-Verlagen, Piper, Rowohlt und den Kleinverlagen zu finden wären. Ich würde mir wünschen, dass das Bloggerportal ein eigenständiges Unternehmen wird und jeder Autor und jeder Verlag sein Kontingent an Rezensionsexemplaren dort zur Vermittlung einreichen könnte. Vielleicht ist das eine Geschäftsidee, die ich mal umsetzen werde (?)

Die Podiumsdiskussion nimmt kurz vor Schluss noch eine Wendung. Es soll um Give-Aways gehen. Janet Clark gibt zu bedenken, dass diese die Buchverkäufe und die Reichweite nicht relevant erhöhen und dass insgesamt ein Rückgang bei Give-Aways zu beobachten ist. Der werbende Effekt mache sich nicht oder kaum bemerkbar. Wichtig ist laut Frau Clark, dass man online wie auch offline und im Handel besprochen und beworben wird.

Kia kommentiert:
Von Farina de Waard weiß ich, dass der Verkauf des selbst gestalteten Schmucks zu ihren Büchern funktioniert. Ich habe mir an dieser Stelle vorgenommen, sie zu ihrem Werdegang und dem Fanowa-Verlag zu interviewen. Willst du das nicht verpassen? Dann melde dich unbedingt in meinem Newsletter an!

Patrick Baumgärtel stimmt zu und erwähnt, dass Verlage bis zu 10 % ihrer Auflage für Redakteure und Buchblogger vorsehen. Jeder Autor solle sich gut überlegen, zu wem man die Exemplare rausschickt.
Jens J. Kramer stimmt zu und wünscht sich, dass wir uns nicht gegeneinander ausspielen.

Kia kommentiert:
Auch mein Schusswort soll folgende Message enthalten: Passt auf, an welche Buchblogger ihr eure Bücher abgebt. Ich habe im vergangenen Jahr einige Exemplare an Buchblogger „verloren“, die sie geschenkt haben wollten, um sie zu rezensieren. Die Rezensionen enthielten unter anderem lediglich eine Hand voll Zeilen, manche Buchblogger haben sich über Monate nicht mehr gemeldet.
Lasst uns aktiver werden. Ich habe den Lesungsmarkt noch nie wirklich kennengelernt oder wahrgenommen und möchte zumindest in Hannover meinen Teil dazu beitragen. Auch werde ich mehr Lesungen besuchen und für mich herausfinden, was mir als Zuhörer nicht gefällt oder das Zuhören so sehr erschwert. Wir Autoren müssen lauter werden. Wir müssen Veranstaltungen ins Leben rufen, fair bezahlt werden und darauf achten, dass wir das Preisniveau auf dem Markt nicht selbst zunichte machen.

Ich hoffe, dir hat diese kommentierte Mitschrift der Podiumsdiskussion gefallen. Ich würde mir wünschen, wenn auch in den Kommentaren ein bisschen mehr (Gegen)Wind herrscht. Sagt eure Meinung, werdet laut!
Alles Liebe,

Kia



1 Kommentar

  1. Monika

    Danke für diese tolle Zusammenfassung, liebe Kia! Ich hatte es dieses ja leider zu keinem einzigen Vortrag geschafft und freue mich sehr, das auf diesem Weg nachholen zu können.
    Und ja: volle Zustimmung!

    Antworten

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