Schreiende Babys sind keine Tierquälerei

von | 24.02.2017 | 3 Kommentare

In Serien, Filmen und Dokumentationen findet man häufig schreiende Babys. Sie sehen gequält aus, obwohl sie vermutlich den ganzen Tag schreien.

Und unabhängig vom Alter und von der Region findet man immer wieder Eltern, die mit ihren Kindern machen, was sie wollen. Egal, ob die Kinder das wollen. Manche Eltern geben ihnen eine Richtung vor, ungeachtet der natürlichen Entwicklung des Kindes. Und niemanden kümmert es.

Da ich in etwa weiß, wie ein Film-Set aussieht und wie Dreharbeiten ablaufen, weiß ich, dass Szenen einzeln gedreht und erst zum Schluss geschnitten werden müssen. Sehr viel ist gestellt und ich muss mich doch wundern, warum sich scheinbar noch nie jemand darüber beschwert hat.

So viele Tierschützer klagen über Tiere beim Filmdreh, die definitiv nicht in ihrem gewohnten Lebensraum sind. In Live-Sendungen fühlen sie sich im Studio sicher unwohl und überhaupt ist das Domestizieren und Dressieren eine der vielen Abwegigkeiten der Menschheit. Wie wir Menschen uns über die Tiere stellen, stellen wir uns auch über Babys.

Mit “wir” meine ich anscheinend die Menschen am Filmset oder deren Eltern, die sicherlich dabei sind. Aber irgendwo könnte ich mir vorstellen, mich selbst einzubeziehen. Denn ich bin ein Teil der Gesellschaft und der Menschheit.

Wir können einen Säugling nicht fragen, ob er das möchte, was gerade mit ihm geschieht. Gut, Fragen stellen ist kein Problem, aber die Antwort fällt etwas undeutlich aus. Also ignorieren wir das kleine, am Schnuller saugende Ding und entscheiden selbst.

Denn bis zu einem gewissen Alter nehmen wir Säuglinge wie Tiere wahr.

Babys haben kein Bewusstsein, das wir wie ein selbstständig denkendes und rationales System wahrnehmen.

Sie agieren intuitiv und beherrschen ihre Mimik perfekter als jeder Erwachsene, der sich zu viele Gedanken macht.Wie ein Tier. Das Ding, das wenige Tage auf der Welt ist, funktioniert. Die Grundfunktionen kann es und braucht zunächst Zeit, um die typischen menschlichen Fähigkeiten zu entwickeln. Sprache zum Beispiel.

Wie ein Tier meint hier nicht, dass man es wie eine Sache behandelt (bedenke: Tiere sind laut Gesetz “lebende Sachen”), sondern eher, dass es dem eigenen Willen vollkommen unterlegen ist.

Aber Kinder in gewissem Maße quälen – oder entschärfen wir das lieber zu einem harmlosen Provozieren –, das ist scheinbar in Ordnung. Im Vergleich zum Tier, was ja eine Sache ist. Denn Kinder müssen nicht domestiziert, sondern nur dressiert (= erzogen) werden und bei dem, was in ihrem weiteren Leben auf die Babys zukommt, ist ein anstrengender Filmdreh ein kleines Übel.

Dennoch klingt dieser Gedanke noch immer fremd für mich.

Worte wie “dressieren” klingen an dieser Stelle feindselig, doch das ist so nicht gemeint. Ich beabsichtige nicht, Säuglinge und Tiere auf eine einheitliche Stufe zu stellen, wollte aber die obigen Vergleiche anstellen, um zum Filmdreh zurückzukommen.

Stell dir einen Film vor. Ein Baby schreit, ein Hund will bellend Hilfe holen und rennt aus dem Haus. Der Hund wird überfahren.

Natürlich wird der Hund nicht wirklich überfahren, das weiß hoffentlich jeder Filmeschauer. Aber im Abspann findet man dennoch den Hinweis “‘No Animals Were Harmed’ / “Es kamen keine Tiere zu Schaden”.  Ist das doch der Fall, schreien Tierschützer und ein Hollywood-Skandal wird aufgedckt, dass es zahlreiche Todesfälle bei den Dreharbeiten von “The Hobbit” und “There will be blood” sowie “Fluch der Karibik” gegeben hat.

So weit so gut. Das sind meine Gedanken zum Thema. Natürlich wird klargestellt, dass es Kindern biologisch gut geht, wenn sie für Filme eingesetzt werden und dort schreiend und gequält in die Kamera gehalten werden. Aber jetzt kommt mir der traurige Gedanke an die 6-jährigen Super-Model-Kinder aus Amerika udn Großbrittanien. Wo Schönheitswettbewerbe bereits im Alter von 4 Jahren für Leistungs- und Schönheitsdruck und einen Abbruch der Kindheit sorgen.

Also ziehe ich ein Fazit und denke, dass es schon irgendwie in Ordnung ist, diese kleinen Menschchen im Mini-Format für so etwas zu … ähm … zu “verwenden”.

Aber was man nicht vergessen darf, ist die persönliche Entwicklung des Kindes. Was wäre aus Mary Kate und Ashley Olsen geworden, hätten sie nicht die kleine Michelle in der 80er-Serie “Full House” gespielt? Wie entwickelt sich eines dieser Beauty-Wahnsinn-Kinder, wenn die Beauty-Wahnsinn-Mütter stillgelegt werden würden? Wenn man “Kindesmisshandlung” ein bisschen mehr an “Tierquälerei” annähert und etwas zum gesunden Umfeld sagt?

Das wäre doch toll. Ein Hamster braucht einen Käfig von einer bestimmten Größe. Ich glaube, 75 x 75 Zentimeter braucht er, bin aber auch nicht vom Fach. Warum braucht ein Beautyqueen-Kind nicht eine bestimmte Zeit zum freien Entwickeln? Eine bestimmte Zeit normale Kindheit, ohne Ruhm und Arbeit.

Und wenn wir schonmal dabei sind: Warum gibt es keinen Elternführerschein? Adoption ist so kompliziert und man muss so viele Anforderungen erfüllen. Man muss reich, erfolgreich, psychisch sicher und häuslich gut ausgestattet sein. Aber wenn sich zwei Menschen auf diese besondere biologische Weise finden, können sie mit ihrem Kind machen, was sie wollen. Es kann im Dreck und in Armut aufleben, zur Beautyqueen erzogen und gezwungen werden und schon mit zwei Jahren auf Diät gesetzt werden. Bis sie erwischt werden.

Jetzt habe ich mich um Kopf und Kragen geschrieben. Und den Faden verloren. So ist das bei Teetexten. Leider ist mein Tee kalt. Dennoch möchte ich diesen Text hier in die Welt stellen.

In diesem Sinne: Tschöss!

Alles Liebe,

Kia



3 Kommentare

  1. Timo

    Toll geschrieben!

    Wenn wir schon beim Thema sind: ein Haustierführerschein wäre sicher auch nicht verkehrt.

    Antworten
  2. Miri

    Jetzt haben wir 2020 und mir fallen so viele Filme mit Säuglinge und Kleinkindern auf. Habe alle diese Überlegungen wie Du ebenfalls angestellt. Ich frage mich immer, wie es wohl den Kindern vor der Kamera geht und ob das wirklich so wenige interessiert?! Feststeht: ich kann diese Eltern nicht verstehen. Habe ich nicht anderes zu tun, als mein wenige Wochen altes Kind in einem Film mitspielen zu lassen…?! Wenn nicht, hätte ich es vermutlich besser erst garnicht bekommen.

    Antworten
  3. Stefanie Balk

    Als ich eben das Thema gegoogelt habe, wurde dein Artikelaufgerufen. Ganz herzlichen Dank dafür. In „Systemsprenger“, den ich gestern gesehen habe, wurde mit der Hauptdarstellerin wohl sehr einfühlsam und über einen sehr langen Zeitraum gearbeitet. Ich glaube um Helena Zengel muss man sich also keine Sorgen machen, sie hat viel gelernt, durch den Film. Es gibt aber auch ein Baby in dem Film, das in eine dramatische, hektische und bedrohliche Szene involviert ist und natürlich auch schreit. Ich glaube diese Szene mit evtl. Proben sind durch die Psyche von Kindern in diesem Alter nicht verarbeitbar. Sie haben m.E. Folgen für die Entwicklung. Ich glaube die Allgemeinheit hat dazu bisher kein Bewusstsein und die Traumforschung forscht vor sich hin und ist noch nicht in derÖffentlichkeit present. Viele Menschen gehen bei Trauma von Schocktrauma aus. Die Folgen von Entwicklungstrauma sind aber u.U. viel nachhaltiger.
    Kinder ( ganz besonders bis zu einem Alter von 3 Jahren ) sollten vor starken negativen Erfahrungen und Emotionen IMMER geschützt werden, weil sie sich, wie du besonders betonst, noch nicht selbst regulieren können und dadurch weder die Erfahrung noch die emotionalen Folgen verarbeiten kann. Sie sind allem und allen hilflos ausgeliefert, Flucht oder Angriff, eine Reaktion des Stammhirns
    bei Gefahr, sowie rationale Überlegungen sind noch nicht möglich.
    Ich finde das Thema sollte viel breiter diskutiert werden. Und dabei geht es nicht nur um die Kinderseelen, sondern auch um die gesellschaftlichen Folgen, die aus traumatisierten Menschen entsteht.
    („ Wer bin ich in einer traumatisierten Gesellschaft“ von Franz Ruppert).

    Antworten

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert